Chancellor Scholz’s angry speech: I have never experienced so much meanness | policy

Ich bin schon lange dabei – aber das habe ich mit meinen 60 Jahren noch nicht erlebt.

Als ich Olaf Scholz (66, SPD) am Mittwochabend zuhörte, stockte mir immer wieder der Atem: Wie spricht denn da der deutsche Bundeskanzler – im Kanzleramt – über seinen scheidenden Ampel-Partner Christian Lindner (45, FDP)? Er spricht nicht – er schimpft, keift, zetert. Im Ton scheinbar ruhig, um Haltung bemüht. Aber die Wortwahl?

So spricht man doch nicht.

Hintergangen fühlt sich der einstige Arbeitsrechtsanwalt aus Hamburg vom FDP-Chef also. Lindner habe immer wieder „mein Vertrauen gebrochen“, „kleinkariert taktiert“, mit beispiellosem „Egoismus“ Gesetze „sachfremd boykottiert“. Das habe er, sagt der Kanzler, „nicht länger dulden können“ – und Lindner vor die Tür gesetzt.

Bei mir wurden Erinnerungen wach: Irre ich mich oder hatten die früher mehr Stil?

Einen Koalitionsbruch zwischen FDP und SPD gab es schon mal

2. Oktober 1982. Mein 18. Geburtstag. Die Schlagzeile an diesem Tag: „Helmut Kohl ist neuer Kanzler“. Tags zuvor hatte der CDU-Chef meinen SPD-Kanzler Helmut Schmidt besiegt. Ich, damals schon langjähriger SPD-Fan, war stinksauer– und wurde Kanzler Kohl bis 1998 nicht los.

Vorausgegangen war 1982 der Bruch der sozial-liberalen Koalition. Auch damals trennten sich SPD und FDP nicht im Frieden. Der liberale Wirtschaftsminister Otto Graf Lambsdorff hatte ein „Wende“-Papier veröffentlicht, wollte Kanzler Schmidt zu einer komplett neuen Politik zwingen.

Folge: Austritt der FDP aus dem Bündnis. Misstrauensvotum gegen Schmidt. Machtwechsel zu Helmut Kohl, mit einer Koalition aus Union und FDP.

Alles schon mal da gewesen …

Koalitionsbruch: Kanzler Helmut Schmidt (r.) im Herbst 1982 mit den FDP-Politkern Otto Graf Lambsdorff (l.) und Hans-Dietrich Genscher

Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS

„Verrat“ war damals das schlimmste Wort, das dem Verlierer Helmut Schmidt öffentlich über die Lippen kam. Aber selbst „Schmidt Schnauze“ wurde nicht persönlich. Niemals wären dem feinen Hanseaten Schmidt eine solche Tirade unterlaufen, wie Scholz sie nun in die Welt sandte.

Schmidt wusste: Das tut man nicht! Nicht öffentlich. Und schon gar nicht im Bundeskanzleramt. Für Wahlkampf-Polemik gibt es den Marktplatz, vielleicht auch den Bundestag.

Entlassen: der scheidende FDP-Chef Christian Lindner (45) am Mittwochabend im Bundestag

Foto: Lisi Niesner/REUTERS

Was mich am meisten ärgert an Olaf Scholz’ niederträchtiger Wutrede: Mit seinen Ausfällen gegen Lindner hat er versucht, sich selbst größer zu machen, als er ist.

Scholz will mir und allen anderen Deutschen („als IHR Bundeskanzler“) vorgaukeln, moralisch stehe er über Lindner. ER, Scholz, habe selbstlos sein Land vor einem politischen Scharlatan schützen müssen. Dem Lindner gehe es doch „nur um die eigene Klientel“, um das „kurzfristige Überleben der eigenen Partei“.

Klingt so ein anständiger Hamburger? Redet so ein Bundeskanzler?

Ich kannte Helmut Schmidt wirklich gut, habe viele Zigaretten mit ihm geraucht und über Gott und die Welt mit ihm geredet. Seit seinem Tod 2015 wurde ich immer wieder gefragt: Was hätte Schmidt davon gehalten?

In diesem Fall weiß ich genau: Schmidt hätte lange geschwiegen, dann stöhnend die Nase gerümpft. Und am Ende nur geraunt: „Dazu möchte ich nichts sagen.“

Denn ein Hanseat tut so etwas nicht.

Auf ein Zigarettchen: Alt-Bundeskanzler Helmut Schmidt im Jahr 2012 in seinem Haus in Hamburg mit BILD-Redakteur Hans-Jörg Vehlewald. 2015 starb Schmidt im Alter von 96 Jahren

Auf ein Zigarettchen: Alt-Bundeskanzler Helmut Schmidt im Jahr 2012 in seinem Haus in Hamburg mit BILD-Redakteur Hans-Jörg Vehlewald. 2015 starb Schmidt im Alter von 96 Jahren

Foto: DANIEL BISKUP

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