Und dann ist da der Moment, in dem Ulrich Noethen als Josefas Jugendfreund Blume die als Mann aus dem Dorf im Oberbayerischen Fortgegangene und als Frau nach Jahrzehnten Wiedergekommene unerwartet wiedersieht, sie einen Moment lang nur anschaut, dann ihr Gesicht in beide Hände nimmt wie ein kostbares Geschenk und sie schließlich in die Arme nimmt. Josefa rinnt dabei eine einzelne Träne in eine Falte.
Mit Adele Neuhauser macht der Film schon fast alles richtig
Beide Male findet in Gelegenheiten für klug gewählte Hauptdarsteller das Beste der Geschichte zusammen, die der „Tatort“-Drehbuchautor Uli Brée und der Regisseur Dirk Kummer für das Erste inszenieren: „Ungeschminkt“ zeigt die Konfrontation einer Transfrau mit ihrer Vergangenheit. Das hätte leicht ins Seichte oder allzu Diversity-Gutgemeinte abgleiten können, und tatsächlich gibt es einige Gefälligkeiten in Rückblenden mit Visionen des eigenen jüngeren Selbst, Plakatives wie die allgegenwärtigen alpenländischen Herrgottswinkel oder allzu Heimeliges wie das forciert familienfreundliche Ende.
Doch mit Adele Neuhauser hat Brée schon fast alles richtig gemacht, was er hätte falsch machen können. Ihr hat er vor Jahren die Rolle der ebenso harten wie herzlichen Wiener Kriminalermittlerin Bibi Fellner auf den Leib geschrieben und zuletzt in der Komödie „Faltenfrei“ den Part einer Beauty-Beraterin im Krisenmodus; nun darf die Österreicherin ihre enorme Popularität bei der Verkörperung einer Figur ausspielen, die Geschlechtergrenzen überschreitet.
Darf sie das spielen?
Darf sie das? Die Forderung, einzig Transgeschlechtliche sollten transidente Figuren spielen dürfen, sei bisher nicht an sie herangetragen worden, sagte Adele Neuhauser der Nachrichtenagentur KNA in einem Interview. Betroffene, mit denen sie darüber gesprochen habe, sähen gleichfalls kein Problem in einer empathischen schauspielerischen Darstellung, von wem auch immer. Erfahrungen mit falscher Genderzuordnung durch andere hat die Schauspielerin indes durchaus selbst gemacht: Vor einer Stimmbandoperation mit Anfang zwanzig war ihre Stimme so tief, dass sie am Telefon immer wieder mit „Herr Neuhauser“ angesprochen wurde.
Ihre seelischen Nöte als aus Griechenland nach Österreich gekommenes Trennungskind, das mehrere Suizidversuche überlebt, hat sie später öffentlich thematisiert. Was Adele Neuhauser in die Rolle Josefas schlüpfen lässt wie in einen maßgeschneiderten Anzug, ist aber weniger ein mutmaßlich gesteigertes Einfühlungsvermögen durch solche Erfahrungen oder ihre herbe Ausstrahlung, sondern es sind Fähigkeiten, die sie als Tragödin am Theater entwickeln konnte, bevor sie ins Fernsehen wechselte: Neuhauser ist in der Lage, inneren Aufruhr unter einer lakonisch fast unbewegt wirkenden oder bloß von einem Scherzwort gekräuselten Oberfläche zu vermitteln.
Josefa hat ihr Leben nur scheinbar im Griff
Ihr so unauffällig geordnet wirkendes Leben in München hat Josefa nur scheinbar im Griff: Verheiratet mit einem passiv-aggressiv Aufmerksamkeit von ihr fordernden, dauergekränkten Mann (Matthias Matschke), geht sie als Identitätsberaterin in der Unterstützung anderer wie ihrer Freundin Antonia auf, die immer wieder Ziel queerfeindlicher Angriffe wird – gespielt wird diese Rolle von der transidenten Schauspielerin Hayal Kaya. Ein Erbfall zwingt Josefa zurück in ihr Heimatdorf, wo lange Beschwiegenes sich mühsam Stück für Stück einen Weg in den Raum des Sagbaren bahnen muss.
Trailer“Unvarnished”
What sets the film apart is that it’s not just about the injuries that Josefa experienced, which caused her to run “for her life” and break away from everyone in the village. The speechlessness of her ex-wife Petra, who is also emotionally wounded, makes Eva Mattes almost physically tangible; Incidentally, their cast is reminiscent of Radu Gabrea’s Fassbinder homage “A Man Like EVA”. Ulrich Noethen’s character, who trudges around the farm as friendliness personified, has his own problems with openness in a village community that can respond to deviations from the norm with aggressiveness. When Antonia flutters like a bird of paradise into the earth-heavy isolation, the conflicts do not break out without comical moments – but only after clarification can they give way to conciliatory laughter.
With the exception of the protagonist’s dead father, no figure from her immediate environment is portrayed as malicious; everyone is – or was – overwhelmed in different ways. That doesn’t stop Josefa from verbally harassing Blume when he babbles about an alleged transmode. Basically, it’s less about gender identity than about disappointed love, unfulfilled expectations, forgiveness and taking an unconditional look at yourself as a human being. That’s very optimistic, and at times the dramaturgy curves smoothly like Josefa on her unisex bike, which has become a symbol of being with oneself.
But if at the end of a film about transness that avoids clichés, the biggest dissonance is that the main character is supposed to come from Bavaria, but the leading actress speaks with a slightly Viennese touch, that is no insignificant achievement.
Without makeuptoday at 8:15 p.m. on First