Weil sie nein sagen konnte, blieb ihr einiges erspart. Der Preis dafür: keine Karriere in Hollywood.
Filmstar Nadja Uhl brilliert derzeit in der Komödie „Alter weißer Mann“ im Kino. Gar nicht komisch: Abseits der Leinwand waren es alte weiße Männer, gegen die sie sich wehren musste, wie sie BILD erzählt.
BILD: An wen oder was denken Sie, wenn Sie den Begriff „Alter weißer Mann“ hören?
Nadja Uhl: „Seit ich mit diesem Begriff durch den Film zu tun habe, löst diese Frage panikartige Zustände aus, weil ich auf der Suche nach einer Definition einfach nicht weiterkomme.“ (lacht)
Warum nicht?
Uhl: „Das hat mit meiner sozialen, künstlerischen und auch familiären DNA zu tun. Ich wurde immer dazu ermuntert, die Welt so vielfältig wie möglich zu sehen. Und mit Stigmatisierungen zu arbeiten, war schon an der Schauspielschule vollkommen verpönt. Und jetzt, mit 52 Jahren, werde ich zu etwas gebeten, was mir regelrecht abtrainiert wurde. Deshalb kann ich nur sagen: Wir bieten mit dem Film ,Alter weißer Mann’ an, die Kriegsschauplätze der Rechthaberei zu verlassen und erst mal miteinander zu lachen.“
Nada Uhl findet: Man muss nicht gleich jede Mode mitmachen
Welche Schauplätze meinen Sie?
Uhl: „Die einen sträuben sich gegen die erziehungsartigen Dogmen. Und die anderen sagen: ,Es gibt aber so viel zu tun. Wir müssen uns entwickeln.’ Beide Seiten haben auf ihre Art recht. Aber ich finde, wer recht hat, muss nicht schreien, sondern kann sich in Ruhe dafür einsetzen, damit Verständnis auf der anderen Seite geweckt wird. Ich finde übrigens auch, dass nicht alles so sein muss, wie es früher war. Und ein neuer Zeitgeist ermöglicht allen die Chance, sich zu entwickeln. Das heißt aber umgekehrt nicht, dass man gleich jede Mode mitmachen muss.“
Haben Sie ein Beispiel?
Uhl: „Ich verstehe als Künstlerin, dass es ein intellektueller Ansatz sein kann, zu gendern. Aber als Schauspielerin, die Sprache ästhetisch wahrnimmt, die Sprache regelrecht schmeckt und genießt, ist Gendern für mich der Verlust eines Hochgenusses, wenn ich einen gegenderten Text lese, spreche oder höre. Gendern ist ein Verlust von Sinnlichkeit.“
„Gendern ist ein Verlust von Sinnlichkeit“
Ihre Töchter sind 15 und 18. Was lernen Sie von der Generation?
Uhl: „Ich lerne so viel von meinen Kindern. Das ist ein großes Privileg. Ihre lerne von ihrer Sicht auf die Welt und ihrem Denken, von ihren Ängsten und ihren Nöten. Ich sage zu meinen Kindern immer: Sagt mir, was ihr denkt, die Evolution schreitet voran und geht nicht rückwärts. Und ich sage ihnen auch immer: Es reicht, wenn ihr atmet. Ihr müsst nichts leisten. Es reicht mir, dass ihr da seid.“
Wie meinen Sie das?
Uhl: „Ich lehne jeglichen Erwartungsdruck ab. Sie sollen träumen können und sich entwickeln. Aber natürlich streiten wir uns auch, wenn die Spülmaschine nicht ausgeräumt ist.“
Nadja Uhl wurde Disziplin gelehrt
Wie sind Sie aufgewachsen?
Uhl: „Der Wertekanon in meiner Familie war: größtmögliche Freiheit und größtmögliche Liebe. Wertschätzung dem Gegenüber für das, was man bekommt. Aber auch diszipliniert zu sein. Das hat mir sehr geholfen. Ich war Teil einer Gemeinschaft, musste mich aber auch an Spielregeln halten.“
In Hollywood gab es „heikle und auch gefährliche Momente“
Noch mal zurück zu den alten weißen Männern. Haben Sie in Ihrem Berufsleben diese Spezies getroffen?
Uhl: „Eines vorweg: Ich habe sicher nie darüber nachgedacht, ob diese Männer weiß waren. Das ist nicht in meiner Denk-DNA. Aber ich habe Idioten kennengelernt, ja. Ich habe männliche Dominanz kennengelernt, die durch Macht und Geld begründet war, auch in Amerika. Ich weiß, dass diese Kombination sehr viel Einfluss ermöglicht. Und ich musste mich entscheiden, ob ich Teil des Spiels sein wollte oder diesen Herren stattdessen zu sagen, dass ich nicht Teil ihrer Projekte sein wollte. Und glauben Sie mir: Das waren heikle und auch gefährliche Momente. Das hat mich so viel Energie gekostet – gerade, wenn es um Hollywood ging. Aber ich habe als Frau meine Grenzen gesetzt. Körperliche Grenzen, ideologische Grenzen und damit auch Grenzen für meine Karriere. Ich habe mich für einen anderen Weg entschieden. Aber nur so konnte ich in Ruhe nach Hause gehen und Kinder bekommen.“
War das im Rückblick mutig?
Uhl: „Wahrscheinlich. Ich liebe meinen Beruf und bin sehr dankbar für alle Chancen. Aber ich habe mir immer einen Plan B erschaffen. Ich war immer autonom genug. Und auf eine seltsame Art haben diese mächtigen Männer mein Nein respektiert.“
Uhl hat auch mit Frauen enttäuschende Momente erlebt
Woran, glauben Sie, lag das?
Uhl: „Das kam, glaube ich, aus einer Kraft heraus, die ich durch mein Nein entwickelt habe. Dass ich Nein sagen konnte, hat mich geschützt. Aber leider habe ich, und das gehört auch zur Wahrheit, nicht nur mit Männern, sondern auch mit Frauen, die Macht und Geld hatten, sehr viele enttäuschende Momente erlebt. Ich habe diesen Frauen gesagt, wie enttäuscht ich bin, dass sie sich nicht stärker für uns Frauen einsetzen. Warum sie nicht für bessere Arbeitsbedingungen sorgen und so weiter. Am Ende ist es egal, ob es Männer sind, die sich falsch verhalten, oder Frauen. Es ist immer eine Frage des Charakters.“