What are the consequences of the Solingen attack?
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What are the consequences of the Solingen attack?

Dass Louis Klamroth seine Eingeladenen einander gegenüber platziert, hat keinen Effekt. Und Meinungen von der Straße holt der Moderator jetzt am liebsten selbst ein. Da reist er dann nach Plauen – „Ich war in Sachsen, um der Stimmung nachzuspüren“ –, tummelt sich kurz auf einem Umzug des CSD (Christopher Street Day), schaut bei den Rechten vorbei und macht zuletzt einen Abstecher zu einem Volksfest. Doch aus Hamburg eben mal einzufliegen, vielleicht nur für einen Drehtag, da kommt nicht unbedingt viel bei heraus.

Die neue Entfremdung

Man sucht den Protagonisten, der einem ins Mikrofon sagt, was dramaturgisch passt. Der Typ vom CSD, der besorgt ist wegen der Rechten, der Rechte, der sich über die Linken mit ihrer „Gendersprache“ aufregt. Beim Volksfest trifft Klamroth schließlich einen Mann, der nur raunt, dass mit der Wahl nun alles anders werde, man werde schon sehen. Was, ja was, das bleibt im Ungefähren. Das gilt auch für den Talkshowabend im Hause Klamroth.

Vor der Sendung gab noch eine Dokumentation von Jessy Wellmer zur Lage in Ostdeutschland. Die „Tagesthemen“-Moderatorin, die aus Güstrow stammt und jüngst das Sachbuch „Die neue Entfremdung“ veröffentlicht hat, nahm sich immerhin 45 Minuten Zeit für ihr Thema: „Machen wir unsere Demokratie kaputt?“ Warum so viele an der Demokratie zweifelten, wollte sie von ihren Gesprächspartnern wissen. Auch bei ihr gab’s viel Meinungen von der Straße. Während eines Scholz-Auftritts in Dresden, die von 229 Polizeibeamten gesichert und im Hintergrund von grölenden Freien Sachsen begleitet und er auf Transparenten in Sträflingskleidung gezeigt wurde, sagte eine von ihnen auf die Frage, was die Gefahr für unsere Demokratie sei: „dass sie keine mehr ist.“

Sendung kurzfristig umgestellt

Ob es überhaupt noch Ostdeutsche gibt, denen in den letzten Wochen nicht schon ein Mikrofon unter die Nase gehalten wurde. Umso ergreifender war das Gespräch mit Henriette Reker über die Messerattacke eines Rechtsextremen, die die Kölner Oberbürgermeisterin vor neun Jahren knapp überlebte: „Es ist schon unwirklich, wenn einem der Hals durchgeschnitten wird.“ Auch der Besuch bei dem türkischstämmigen Unternehmer Serdar Kaya in Seifhennersdorf in der Oberlausitz, wo zuletzt fast 40 Prozent AfD gewählt haben, oder beim sächsischen Landrat Dirk Neubauer, der nach Anfeindungen von rechts kürzlich seinen Rücktritt erklärte, waren beeindruckend.

Entsprechend eingestimmt auf das Thema war die anschließende Talkshow jedoch anlässlich der Solinger IS-Morde kurzfristig umgestellt worden. Man hatte jedoch nicht die ganze Sendung verwerfen, sondern beide Themen unter einen Hut bringen wollen – IS-Terrorismus und AfD-Aufstieg. Aus der ursprünglichen Sendung „Vor den Wahlen: Demokratie in Gefahr?“ wurde: „Nach dem Attentat, vor den Wahlen: Welche Folgen hat der Angriff von Solingen?“

„Mitmach-Terrorismus“ im Internet

Die selbst auferlegte Synchronizität war des Guten zuviel. Da kam zusammen, was nicht zusammengehört. Wieder ging es mit Stimmen aus dem Volk los, diesmal aus Solingen: „Wenn hier Menschen sterben müssen, weil die Politik schläft, dann ist das für mich ein absolutes No-Go.“ Auch die Politiker sind nicht besser. Der CDU-Politiker Mario Voigt hat in ähnlich geschmackloser Engführung mit der Solinger Tat Ampelschelte beitrieben, als er in einem Tweet formulierte: „Die Nachricht über den IS als Drahtzieher des Terroranschlags ist eine Bankrott-Erklärung für die Ampel.“

Die Stimme der pragmatischen Vernunft vertrat in der Runde der Kriminalbeamte Sebastian Fiedler (SPD). Von ihm erfuhr man einiges über internationalen Terrorismus und dem wieder erstarkten IS, der die Menschen in einer Art „Mitmach-Terrorismus“ im Internet radikalisiere. Die Anschläge der Dschihadisten hat sich ihm zufolge in den letzten Jahren in Europa vervierfacht. Er plädiert daher für mehr Befugnisse vor allem der Nachrichtendienste und eine Speicherfrist einzuführen, um digitale Informationen erheben zu können. Dabei platzte dem Polizist in der Sendung bald der Kragen, so verärgert ist er, dass darüber seit Jahren diskutiert werde und nichts passiere.

Die Hassprediger auf Plattformen wie Tiktok

Auch der Versuch Nancy Faeser, die Morde von Solingen an die Debatte um ein verschärftes Waffenrecht zu knüpfen, ist irreführend. Letzteres sei, so Fiedler, relevant für die gut 14.000 Messerdelikte im Jahr. „Mit der Bekämpfung des islamistischen Terrorismus hat das nichts zu tun“. Außerdem war das Stadtfest in Solingen als Waffenverbotszone ausgewiesen, wie Wolfgang Bosbach (CDU) sagte. Und ein Täter schaut ja nicht im Gesetz nach, ob er ein Messer mit sich führen darf für einen Anschlag.

Bosbach sieht das Problem daher auch nicht in der Klingenlänge, sondern am anderen Ende der Klinge“: Warum führten diese junge Männer überhaupt Messer mit sich, wenn sie nicht latent gewaltbereit seien, fragt er. Damit liegt der ehemalige Vorsitzende des Innenausschusses auf eine Linie mit seinem Parteivorsitzenden Friedrich Merz, der tags zuvor gesagt hatte, dass nicht die Messer das Problem seien, sondern die Personen, die damit herumliefen: in der Mehrzahl seien das Flüchtlinge, in der Mehrzahl der Taten stünden islamistische Motive dahinter.

Gegen solche Pauschalisierung wandte sich Katrin Göring-Eckardt (Grüne) entschieden, die zugleich selbstkritisch einräumte, dass der Islamismus in Deutschland zu wenig bekämpft und den Hasspredigern auf Plattformen wie Tiktok zu wenig Einhalt geboten werde. Aber sie wolle über den Einzelfall, den Mörder sprechen, nicht aber über „die Syrer“ insgesamt und erinnerte an die vielen syrischen Ärzte, die hier in Krankenhäusern arbeiteten: „Wenn die weg wären, würde der Laden zusammenbrechen.“ Daher ist für Göring-Eckardt die zentrale Frage: „Wollen wir aufeinander losgehen, oder wollen wir es gemeinsam besser machen?“

„Wir wollen Humanität und Ordnung“, entgegnete ihr Bosbach scharf, doch wenn die Leute das Gefühl hätten, „das eine klappt, das andere aber nicht, dann kippt die Stimmung.“ Es gehe hier nicht um den syrischen Arzt oder die philippinische Krankenschwester, sondern um junge, bindungslose Männer aus dem arabischen Raum mit hoher Gewaltbereitschaft. „Wenn wir die Augen verschließen aus lauter politischer Korrektheit, dann dürfen wir uns nicht wundern, wenn immer mehr Menschen das Vertrauen in die Politik verlieren“.

Gerade als die Diskussion zwischen Bosbach und Göring-Eckart richtig in Fahrt kam und in die Tiefe zu gehen versprach, hat Louis Klamroth das Gespräch abrupt beendet, um in der zweiten Hälfte der Sendung über sein zweites Thema zu reden, den Osten. Das aber war dann doch des Guten zuviel. Man kann nicht einfach von einer Katastrophe zum nächsten Aufreger wechseln. So tröpfelte der Abend aus, der ein weiteres wichtiges Thema zu verhandeln gehabt hätte – zu wichtig, um als Nachklapp in einer halben Stunde abverhandelt zu werden.

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